Zusammenfassung des Urteils IV 2006/289: Versicherungsgericht
Der Versicherte zog sich während des Militärdienstes eine Knieverletzung zu, die zu mehreren Operationen führte. Trotz Beschwerden und Einschränkungen in seiner aktuellen Tätigkeit forderte er berufliche Umschulung an. Die IV-Stelle lehnte dies ab, da er als Hilfsarbeiter adaptierte Arbeit finden könnte. Der Versicherte widersprach und verlangte eine Rente oder Umschulung. Die IV-Stelle wies dies erneut ab. Der Versicherte legte Beschwerde ein, die letztendlich aufgrund eines Missverständnisses über das Anmeldeverfahren abgewiesen wurde. Letztendlich wurde die Verfügung aufgehoben, jedoch erhielt der Versicherte nur teilweise Recht.
Kanton: | SG |
Fallnummer: | IV 2006/289 |
Instanz: | Versicherungsgericht |
Abteilung: | IV - Invalidenversicherung |
Datum: | 11.08.2008 |
Rechtskraft: |
Leitsatz/Stichwort: | Entscheid Art. 65 ATSG. Leistungskoordination: Sogenannte relative Priorität der anderen Sachleistungen wie namentlich Hilfsmittel und Eingliederungsmassnahmen. Entgegen der in der Lehre vertretenen Auffassung ordnet Art. 65 ATSG keine generelle komplementäre Leistungspflicht des nachgehenden Sozialversicherungsträgers an, sobald seine Leistungen nur leicht besser oder umfassender sind als diejenigen des vorgehenden Sozialversicherungsträgers, so dass in jedem Einzelfall automatisch eine Anwendung des Leistungsrechts auch des nachgehenden Sozialversicherungsträgers zur Diskussion steht. Art. 65 ATSG räumt nur die Möglichkeit ein, bei einer ganz bedeutenden Leistungsdifferenz ausnahmsweise eine kompelementäre Leistungspflicht des nachgehenden Sozialversicherungsträgers anzunehmen (Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons St. Gallen vom 11. August 2008, IV 2006/289). |
Schlagwörter: | Leistung; Quot; Eingliederung; Eingliederungsmassnahmen; Anspruch; IV-Stelle; Verfügung; Arbeit; Anmeldung; Verwaltungshilfe; Leistungen; Sozialversicherung; Massnahmen; Sozialversicherungsträger; Priorität; IV-Anmeldung; Abweisung; Beschwerdeführers; Sachleistungen; Quot;IV-Anmeldungquot; Beruf; Bericht; Invalidenversicherung; Leistungsgesuch; Abklärung; Abweisungsverfügung; Invalidität; Gericht |
Rechtsnorm: | Art. 64 ATSG ;Art. 65 ATSG ;Art. 71 MVG; |
Referenz BGE: | - |
Kommentar: | - |
am 11. August 2008 in Sachen
H. ,
Beschwerdeführer,
vertreten durch Rechtsanwalt lic. iur. Pablo Blöchlinger, Lutherstrasse 4, Postfach, 8021 Zürich,
gegen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Postfach 368, 9016 St. Gallen,
Beschwerdegegnerin, betreffend
IV-Leistungen
in Erwägung gezogen: Sachverhalt
A.
Der Versicherte zog sich 1978 während des Militärdienstes bei einem Skiunfall ein Distorsionstrauma des linken Knies zu. Der ärztliche Dienst der Militärversicherung (MV) berichtete am 14. März 2003, die MV habe für diese Gesundheitsschädigung die volle Haftung übernommen. Das Knie sei inzwischen siebenmal operiert worden. Der Versicherte teilte der MV am 2. April 2005 mit, er habe starke Schmerzen im Knie. Trotz der medizinischen Trainingstherapie, der Physiotherapie und der Schonung gelinge es nicht, beschwerdefrei zu sein. Insbesondere das längere Stehen und Gehen, das in seinem Beruf unerlässlich sei, bereite Mühe. Er sprach die Möglichkeit eines von der MV zu finanzierenden Berufswechsels an. Der Inspektor der MV hielt am 28. April 2005 fest, der Versicherte sei seit 1982 beim selben Arbeitgeber tätig. Er sei dort zuständig für den Bereich Garten, Grills und Boote. Dabei müsse er praktisch den ganzen Tag stehen gehen. Ein Stellenwechsel innerhalb des Betriebes sei nicht möglich, weil der Versicherte mangels Bürokenntnissen und Problemen mit der deutschen Sprache nicht in der Administration eingesetzt werden könne. Der ärztliche Dienst der MV berichtete am 11. Juli 2005, es liege eine recht fortgeschrittene Gonarthrose links vor. In der jetzigen Tätigkeit des Versicherten als Magaziner/Verkäufer in einem Do-it- yourself-Geschäft sei mittel- bis langfristig eine erhebliche Einschränkung der Arbeitsfähigkeit zu erwarten. Es sollte eine Evaluation der beruflichen Massnahmen, allenfalls unter Einschaltung der IV-Berufsberatung, erfolgen. Die MV beauftragte am
15. August 2005 ihren Aussendienst mit der Abklärung der beruflichen Situation des Versicherten. Dr. med. A. teilte der MV am 14. Mai 2006 mit, dass er den Versicherten ab 3. Mai 2006 zu 50% arbeitsunfähig geschrieben habe. Der Inspektor der MV berichtete am 1. Juni 2006, der Versicherte habe angegeben, er habe trotz der Reduktion auf 50% abends ein geschwollenes Knie. Weiter führte der Inspektor aus, er habe den Versicherten und dessen Arbeitgeberin darüber informiert, dass eine berufliche Abklärung notwendig sei. Dazu habe er dem Versicherten das IV-Anmelde formular ausgehändigt und ihn aufgefordert, dies rasch einzureichen. Er habe der Arbeitgeberin mitgeteilt, dass die MV allfällige Weiterbildungsmassnahmen betreffend (Hoch-) Deutsch finanzieren werde, falls dies einer optimalen Eingliederung diene. Die Arbeitgeberin habe sich bereit erklärt, den Versicherten in einer der Behinderung adaptierten Tätigkeit drei Monate zu testen. Abschliessend hielt der Inspektor in seinem Bericht fest, der Versicherte solle sich bei der Invalidenversicherung anmelden, damit die berufliche Abklärung parallel zu dieser Testphase durchgeführt werden könne.
B.
Der Versicherte reichte am 13. Juni 2006 das Formular 'Anmeldung zum Bezug von IV- Leistungen für Erwachsene' ein. Er kreuzte nur die Umschulung als gewünschte Leistung an. Er wies darauf hin, dass die MV sich seit Jahren mit seiner Behinderung befasse. Gleichzeitig forderte er die IV-Stelle auf, die entsprechenden Unterlagen einzuverlangen. Die IV-Stelle ersuchte Dr. med. A. am 20. Juni 2006, einen Bericht einzureichen. Am gleichen Tag stellte sie dem Versicherten ergänzende Fragen zu seinem Leistungsgesuch. Darunter war auch die Frage, ob er eine Umschulung plane. Der Versicherte antwortete, er wolle diese Möglichkeit mit der IV-Stelle besprechen. Am 3. Juli 2006 stellte die IV-Stelle der Arbeitgeberin des Versicherten einen Fragebogen zu. Darin gab die Arbeitgeberin am 18. Juli 2006 an, sobald sie einen Nachfolger für den Versicherten gefunden habe, werde sie einen dreimonatigen Versuch am PC starten. Die MV decke die 50%ige Arbeitsunfähigkeit. Die MV übermittelte der IV-Stelle am 4. August 2006 ihre Akten. Die zuständige Sachbearbeiterin der IV-Stelle erkundigte sich am 17. August 2006 beim RAD Ostschweiz, ob die medizinischen Voraussetzungen einer beruflichen Eingliederung erfüllt seien. Sie wies darauf hin, dass von Seiten der MV "berufliche Massnahmen
empfohlen" seien. Dr. med. B. bejahte die ihm gestellte Frage am 18. August 2006. Mit einem Vorbescheid vom 11. September 2006 teilte die IV-Stelle dem Versicherten mit, dass er keinen Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen der Invalidenversicherung habe, weil er als Hilfsarbeiter gelte und es ihm deshalb möglich sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine adaptierte Erwerbstätigkeit zu finden, mit der er ein dem bisherigen Einkommen annähernd gleichwertiges Einkommen erzielen könne. Der Versicherte wandte am 17. Oktober 2006 ein, er verlange eine Vergütung in der Form von Kursen zur Aufnahme einer angepassten Tätigkeit im Bürobereich (im Hinblick auf die Arbeitsplatzerhaltung). Ohne entsprechende Ausbildung bestehe das Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren und arbeitslos zu werden. Mit einer Verfügung vom
14. November 2006 wies die IV-Stelle ein Begehren um berufliche Eingliederungsmassnahmen ab.
C.
Der Versicherte erhob am 13. Dezember 2006 Beschwerde gegen diese Abweisungsverfügung. Er stellte sinngemäss den Antrag, die IV-Stelle sei anzuweisen, ihm Leistungen der Invalidenversicherung auszurichten, insbesondere berufliche Massnahmen und eine Rente. Zur Begründung machte er geltend, es fehle ein Einkommensvergleich, aus dem die Voraussetzungen zur Gewährung von beruflichen Massnahmen einer Rente ersichtlich wären. Das Valideneinkommen belaufe sich unter Berücksichtigung der Gratifikation und des Lohnes aus der Nebenerwerbstätigkeit als Hauswart auf mindestens Fr. 72'600.-. Das zumutbare Invalideneinkommen sei ausgehend von einem Durchschnittslohn von Fr. 55'056.- zu ermitteln. Die verschiedenen Einschränkungen rechtfertigten einen Abzug von 25%. Demnach belaufe sich das zumutbare Invalideneinkommen auf Fr. 41'292.-. Die Erwerbseinbusse von mindestens Fr. 31'308.- entspreche einem Invaliditätsgrad von 43%, weshalb mindestens eine Viertelsrente auszurichten sei. Selbst wenn der Invaliditätsgrad weniger als 40% betragen würde, wäre er doch hoch genug, um einen Anspruch auf eine Umschulung zu begründen. Er dürfe nicht als Hilfsarbeiter qualifiziert werden, denn mit einer über zwanzigjährigen Erfahrung im Verkauf weise er ein gleichwertiges Wissen auf wie jemand, der eine Verkaufslehre abgeschlossen habe.
Demnach bestehe ein Anspruch auf Berufsberatung, Umschulung und Arbeitsvermittlung.
D.
Die IV-Stelle beantragte am 4. April 2007 die Abweisung der Beschwerde. Sie machte geltend, die Hauswarttätigkeit werde seit 1994 durch die Ehefrau des Versicherten ausgeführt. Im übrigen wäre es dem Versicherten möglich, eine adaptierte Nebenerwerbstätigkeit ausüben. Ohnehin könne eine Wiedereingliederung in einen Nebenerwerb nicht Gegenstand beruflicher Massnahmen sein. Das Durchschnitts einkommen der Hilfsarbeiter habe 2004 Fr. 57'258.- betragen. Ein Abzug sei nicht gerechtfertigt. Gemäss dem IK-Auszug habe der Versicherte im Jahr 2004 Fr. 60'000.- verdient. Eine Gratifikation sei nicht ausgerichtet worden. Somit resultiere in Invaliditätsgrad von weniger als 5%. Es bestehe also kein Anspruch auf berufliche Massnahmen. Bei einem Hilfsarbeiter komme eine Umschulung nicht in Frage, weil sie faktisch den Charakter einer erstmaligen Ausbildung hätte. Die Voraussetzungen einer erstmaligen beruflichen Ausbildung seien aber nicht erfüllt.
E.
Der Versicherte wandte am 7. Mai 2007 ein, die IV-Stelle unterlasse es, beim Valideneinkommen seine Lage so zu beurteilen, wie wenn er keine gesundheitliche Beeinträchtigung hätte. Er könnte nämlich einen höheren Lohn erzielen und die Hauswartstelle voll ausüben. Die IV-Stelle beurteile seine Lage an der jetzigen Arbeitsstelle im Vergleich mit der hypothetischen Invalidität. Sie verkenne damit, dass er an seiner jetzigen Arbeitsstelle gesundheitlich eingeschränkt sei.
F.
Die IV-Stelle verzichtete am 15. Mai 2007 auf eine Duplik.
G.
Der Versicherte teilte am 23. Juli 2007 mit, dass ihm per 30. September 2007 gekündigt worden sei. Mündlich sei die Kündigung damit begründet worden, dass er in seinem aufgrund der Beschwerden neu zugewiesenen Tätigkeitsbereich zu teuer gewesen sei. Der Versicherte ging davon aus, dass dies eine Aufhebung der angefochtenen Verfügung und eine Rückweisung zur weiteren medizinischen Abklärung in Zusammenarbeit mit der MV rechtfertige.
H.
H.a Am 15. April 2008 teilte der Casemanager der MV dem Gericht mit, er habe den Versicherten aufgefordert, sich bei der IV-Stelle anzumelden, weil dies damals üblich gewesen sei, um verwaltungshilfeweise die Abklärungshilfe der IV-Stelle zu erhalten. Die IV-Stelle müsse die Anmeldung des Versicherten falsch verstanden haben. Der Casemanager reichte dem Gericht verschiedene Akten der MV ein. Gemäss dem Austrittsbericht der Klinik Bellikon vom 28. Februar 2008 war der Versicherte während eines stationären Aufenthalts vom Berufsberater der Klinik abgeklärt worden. Da sich der Versicherte auch in einer neuen Erwerbstätigkeit als nur zu 50% arbeitsfähig betrachtet hatte, obwohl er objektiv in einer adaptierten Tätigkeit zu 100% leistungsfähig war, hatte der Berufsberater keine beruflichen Massnahmen empfehlen können. Der stationäre Aufenthalt war unter diesen Umständen vorzeitig abgebrochen worden. Gemäss einem Protokoll über ein Gespräch zwischen dem Versicherten, dem Arzt der Klinik Bellikon und dem Casemanager der MV vom 28. Februar 2008 war grundsätzlich eine ein- bis zweijährige Ausbildung vorgesehen gewesen. Gemäss einem an den Rechtsvertreter des Versicherten gerichteten Schreiben der MV vom 18. März 2008 hatte sich der Versicherte an diesem Tag bereit erklärt, wieder in die Klinik Bellikon einzutreten, um die Berufsabklärung zu absolvieren. Die Gerichtsleitung stellte die Gesprächsnotiz vom 15. April 2008 und die zusätzlichen MV-Akten den Parteien zur Stellungnahme zu.
H.b Der Versicherte machte am 28. April 2008 geltend, die MV konzentriere sich auf die unfallbedingte Einschränkung. Deshalb sei die IV-Stelle anzuhalten, sich an der Wiedereingliederung zu beteiligen, denn es bestehe neben der unfallbedingten Knieproblematik auch eine Schulterproblematik. Im IV-Leistungsgesuch sei zwar lediglich das Kästchen 'berufliche Massnahmen' angekreuzt worden. Mit der
angefochtenen Verfügung seien aber überhaupt keine Leistungen zugesprochen worden. Sowohl ein Anspruch auf berufliche Massnahmen als auch ein Anspruch auf eine Rente hätten eine sorgfältige Berechnung des Invaliditätsgrades vorausgesetzt. Dies sei aber nicht geschehen. Sollte die IV-Stelle davon ausgehen, dass - durch sie durch die MV - zunächst eine Wiedereingliederung erfolgen müsse, so hätte sie das Verfahren nicht mittels Verfügung abschliessen, sondern aussetzen müssen, bis die Ergebnisse der MV vorgelegen hätten. Dies erfordere eine Rückweisung an die IV- Stelle.
H.c Die IV-Stelle machte am 29. April 2008 geltend, der Versicherte habe sich selbst zum Leistungsbezug angemeldet. Die Motive, die ihn dazu bewogen hätten, seien nicht wesentlich. Ein Auftrag der MV liege nicht vor. Somit liege auch kein Fall von Verwaltungshilfe vor. Sie sei berechtigt gewesen, den Anspruch des Versicherten auf berufliche Massnahmen zu prüfen und in eigener Kompetenz darüber zu verfügen. Ohnehin sei in erster Linie die MV für die berufliche Eingliederung zuständig.
Erwägungen:
1.
Die angefochtene Verfügung trägt die Überschrift "Kein Anspruch auf IV-Leistungen" und das Verfügungsdispositiv lautet: "Ihr Leistungsbegehren wird abgewiesen". Dies würde an sich die Auslegung zulassen, dass die Beschwerdegegnerin mit der angefochtenen Verfügung einen Anspruch auf sämtliche in Frage kommenden IV- Leistungen und damit auch auf eine Invalidenrente verneint habe. Nun wird die Verfügungsbegründung aber mit einem Verweis auf Art. 8 IVG eingeleitet. Diese Bestimmung definiert die eingliederungsspezifische Invalidität und sie listet die verschiedenen Eingliederungsmassnahmen auf. Dies lässt darauf schliessen, dass nur die berufliche Eingliederung Gegenstand der angefochtenen Verfügung bilden soll. Die weiteren Erwägungen der Beschwerdegegnerin könnten sich dann allerdings wieder auf das ganze Spektrum der IV-Leistungen (unter Einschluss der Invalidenrente) beziehen. Lässt sich der Entscheidungsgehalt einer Verfügung nicht mit der nötigen Klarheit dem Wortlaut entnehmen, ist auf die "Vorgeschichte" der Verfügung, d.h. auf das Verwaltungsverfahren zurückzugreifen, das mit der betreffenden Verfügung
abgeschlossen worden ist. Im vorliegenden Fall beinhaltet das Verwaltungsverfahren eine interne Notiz der Beschwerdegegnerin vom 29. August 2006, auf der die angefochtene Verfügung direkt beruht. Diese Notiz enthält diejenige Aussage, die bei der Interpretation der angefochtenen Verfügung Klarheit schafft: "Es besteht somit kein Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen durch die Invalidenversicherung. Antrag: BM abweisen: keine Invalidität nach Art. 8 IVG". Damit steht fest, dass die Beschwerdegegnerin mit der angefochtenen Verfügung nicht einen Anspruch auf sämtliche IV-Leistungen, sondern nur auf berufliche Eingliederungsmassnahmen (Berufsberatung, Umschulung und Arbeitsvermittlung) verneint hat. Da im Beschwerdeverfahren keine Leistungsansprüche geprüft werden können, die nicht Gegenstand des Verwaltungsverfahrens und der angefochtenen Verfügung gebildet haben, kann auf das Begehren des Beschwerdeführers, es sei ihm eine Invalidenrente zuzusprechen, nicht eingetreten werden. Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens bildet nur ein allfälliger Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen.
2.
Gemäss Art. 65 ATSG gehen andere Sachleistungen, namentlich Hilfsmittel Eingliederungsmassnahmen, nach den Bestimmungen des jeweiligen Einzelgesetzes und in nachstehender Reigenfolge zulasten a. der Militärversicherung der Unfallversicherung, b. der Invalidenversicherung der Alters- und Hinterlassenenversicherung, c. der Krankenversicherung. Im Gegensatz zu Art. 64 ATSG, der für die Heilbehandlung explizit die ausschliessliche Leistungserbringung durch einen einzigen Sozialversicherungsträger vorschreibt (Art. 64 Abs. 1 ATSG), fehlt im Wortlaut des Art. 65 ATSG eine explizite derartige Regelung. Daraus ist der Schluss gezogen worden, Art. 65 ATSG sehe nicht wie Art. 64 ATSG eine absolute, sondern nur eine relative Priorität vor. Das bedeute, dass die Leistungen eines nachgehenden Sozialversicherungsträgers diejenigen eines vorgehenden Sozialversicherungsträgers ergänzen müssten (vgl. Ueli Kieser, ATSG-Kommentar, N. 4 zu Art. 65 ATSG), wenn der nachgehende Sozialversicherungsträger ein breiteres und/oder besseres Leistungsangebot als der vorgehende Sozialversicherungsträger aufweise (vgl. Ueli Kieser, a.a.O., N. 11 zu Art. 65 ATSG). Begründet wird dies mit der Entstehungsgeschichte des Art. 65 ATSG, nämlich mit den Ausführungen im Bericht
des Kommission des Nationalrates vom 26. März 1999 zu Art. 71 des ATSG-Entwurfs: "Den Materialien ist mit Eindeutigkeit zu entnehmen, dass der nachfolgende Leistungskreis durch eine Leistung der vorrangigen Kreises dann nicht von einer Leistung befreit wird, wenn er ein breiteres qualitativ besseres Leistungsspektrum vorsieht [BBl 1999 4633]. Insoweit treten gegebenenfalls Leistungen des nachrangigen Leistungskreises komplementär zu denjenigen des vorangehenden" (Ueli Kieser, a.a.O.,
N. 11 zu Art. 65 ATSG). Betrachtet man allerdings die gesamte Entstehungsgeschichte des Art. 65 ATSG, so vermag diese Interpretation nicht zu überzeugen. Im Bericht und Entwurf zu einem allgemeinen Teil der Sozialversicherung von 1984 ist vorgeschlagen worden, für Sachleistungen wie insbesondere Hilfsmittel und Eingliederungsmassnahmen das gleiche Prioritätenprinzip wie für die Heilbehandlung vorzusehen. "Für die Heilbehandlung gilt die Regel, dass jeweils nur ein System nach seinen Bestimmungen uneingeschränkt zu leisten hat, dass also keinerlei Leistungsaufteilung erfolgt" (Bericht S. 55 oben). Diese absolute Lösung auch für andere Sachleistungen wie insbesondere Hilfsmittel und Eingliederungsmassnahmen ist unverändert in den Bericht der Kommission des Ständerates vom 27. September 1990 übernommen worden (vgl. BBl 1990 S. 265). In der vertieften Stellungnahme des Bundesrates vom 17. August 1994 ist daran nichts geändert worden (vgl. Separatdruck
S. 33 f.). Die Kommission des Nationalrates hat in ihrem Bericht vom 26. März 1999 die bis dahin vorgesehene ausdrückliche Anordnung des Prinzips der absoluten Priorität auch für andere Sachleistungen wie insbesondere Hilfsmittel und Eingliederungsmassnahmen aufgegeben. Entgegen der von Kieser vertretenen Auffassung sollte damit aber für die anderen Sachleistungen kein genereller Wechsel zu relativen Priorität erfolgen. Der Vorschlag, anders als in Art. 70 des Entwurfs zum ATSG betreffend die Heilbehandlung das Wort 'ausschliesslich' für die anderen Sachleistungen in Art. 71 des Entwurfs zum ATSG nicht zu verwenden, beruhte ausschliesslich auf der Überlegung, dass Ausnahmen von der absoluten Priorität zulässig sein und dass diese Ausnahmen in einer relativen Priorität bestehen sollten: "Deshalb muss hier ausdrücklich festgehalten werden, dass die Leistungspflicht eines nicht prioritären Leistungszweiges nicht ausgeschlossen ist, sofern dieser ein breiteres qualitativ besseres Leistungsspektrum vorsieht. Aus diesem Grund hat die Kommission auch darauf verzichtet, in den Wortlaut von Artikel 71 ATSG - analog zu Artikel 70 ATSG - das Wort 'ausschliesslich' aufzunehmen" (Bericht der Kommission
des Nationalrates vom 26. März 1999, Separatdruck S. 111). Dies ist keineswegs die von Kieser (vgl. Ueli Kieser, a.a.O., N. 4 zu Art. 65 ATSG) angenommene klare Festlegung einer relativen Prioritätenordnung. Vielmehr wird die bis dahin selbstverständliche Anordnung einer absoluten Prioritätsordnung für die anderen Sachleistungen wie insbesondere Hilfsmittel und Eingliederungsmassnahmen analog zur Lösung bei den Leistungen zur Heilbehandlung weitergeführt. Durch das Weglassen des Wortes 'ausschliesslich' wird nur die Möglichkeit eingeräumt, Ausnahmen für den Fall vorzusehen, dass eine Leistungspflicht eines nachgehenden Sozialversicherungsträgers für die versicherte Person vorteilhafter als die Leistungspflicht des vorgehenden Sozialversicherungsträgers sein sollte. Nur in einem solchen Fall soll auch für andere Sachleistungen wie insbesondere Hilfsmittel und Eingliederungsmassnahmen ausnahmsweise eine relative Prioritätenordnung gelten. Art. 65 ATSG ordnet also trotz des Fehlens des Wortes 'ausschliesslich' nicht generell eine relative Prioritätenordnung an. Sind die Leistungen des vorgehenden Sozialversicherungsträgers in bezug auf die Art und/oder die Qualität nicht deutlich geringer als diejenigen des nachgehenden Sozialversicherungsträgers, so besteht nur ein Anspruch auf die anderen Sachleistungen des vorgehenden Sozialversicherungsträgers. Die von der MV zu erbringenden beruflichen Eingliederungsmassnahmen (Art. 33-39 MVG) entsprechen sowohl in ihrem Umfang als auch in ihrer Qualität denjenigen der Invalidenversicherung. Bei korrekter Interpretation sieht Art. 65 ATSG also zur Koordination der entsprechenden Leistungsansprüche nur eine Leistungspflicht der Militärversicherung, d.h. keine Leistungspflicht der Invalidenversicherung vor. Obwohl der Beschwerdeführer die Leistungsvoraussetzungen der Invalidenversicherung erfüllt, hat er demnach gegenüber der Beschwerdegegnerin keinen Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen. Die Beschwerdegegnerin hat zu Recht einen Leistungsanspruch des Beschwerdeführers ihr gegenüber verneint.
3.
Der Beschwerdeführer hat gegenüber der MV einen Anspruch auf einen umfassenden Fächer beruflicher Eingliederungsmassnahmen. Die MV kann gestützt auf Art. 22 MVV die IV-Stellen sowie deren medizinische und berufliche Abklärungsstellen zur Abklärung der Eingliederungsfähigkeit sowie zur Durchführung und Koordination
ihrer beruflichen Eingliederungsmassnahmen beiziehen. Dieser Anspruch auf Verwaltungshilfe durch die IV-Stellen besteht auch dann, wenn die betreffende militärversicherte Person gegenüber der IV keinen Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen hat. Wie den Äusserungen der MV insbesondere im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu entnehmen ist, hat sie den Beschwerdeführer aufgefordert, ein IV-Anmeldeformular auszufüllen und der Beschwerdegegnerin einzureichen. Beabsichtigt hat sie damit aber nur den Abruf der Verwaltungshilfe durch die Beschwerdegegnerin bei der von ihr unternommenen beruflichen Eingliederung des militärversicherten Beschwerdeführers. Offenbar beharrte die Beschwerdegegnerin zu jener Zeit - wohl zur besseren statistischen Erfassung ihrer Arbeit - darauf, dass die Verwaltungshilfe bei der beruflichen Eingliederung militärversicherter invalider Personen durch die MV auf diese Weise abgerufen werde. Die MV hat es im vorliegenden Fall allerdings unterlassen, parallel zur "IV-Anmeldung" direkt ein Verwaltungshilfeersuchen an die Beschwerdegegnerin zu richten zumindest die Beschwerdegegnerin darauf hinzuweisen, dass die "IV-Anmeldung" des Beschwerdeführers ausschliesslich als Verwaltungshilfeersuchen zu verstehen sei. Die Beschwerdegegnerin wäre zwar aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers im Anmeldeformular in der Lage gewesen zu erkennen, dass es sich bei der vermeintlichen "IV-Anmeldung" nur um ein Verwaltungshilfeersuchen der MV handeln konnte. Der Beschwerdeführer hatte nämlich angegeben, mit seinem Fall befasse sich bereits die MV. Aber die Beschwerdegegnerin hat dies übersehen und das Verwaltungshilfeersuchen - seiner äusseren Erscheinung gemäss - als eigentliches IV-Leistungsgesuch interpretiert. Der Entscheid der Beschwerdegegnerin, ein eigenes Verwaltungsverfahren zur Prüfung eines Anspruchs des Beschwerdeführers auf Eingliederungsmassnahmen der IV zu eröffnen, beruhte also auf einem Irrtum über das Wesen der "IV-Anmeldung". Durch dieses Versehen der Beschwerdegegnerin, das im Erlass der vorliegend angefochtenen Abweisungsverfügung gegipfelt hat, ist schliesslich auch der Beschwerdeführer dem Irrtum erlegen, es stehe ein Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen der IV zur Diskussion. Er hat nämlich mit dem (sinngemässen) Begehren gegen die Abweisungsverfügung Beschwerde erhoben, die Beschwerdegegnerin sei zu verpflichten, ihm Eingliederungsmassnahmen zu erbringen. Sowohl die angefochtene Abweisungsverfügung als auch die Beschwerdeerhebung mit dem Ziel, gerichtlich einen Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen der IV durchzusetzen,
beruhen also auf einem Irrtum über das Wesen der "IV-Anmeldung", die in Wahrheit nur ein völlig unnötiges Einreichen eines IV-Anmeldeformulars zur Erlangung der Verwaltungshilfe der Beschwerdegegnerin gestützt auf Art. 22 MVV gewesen ist.
Trotzdem bleibt die durch den beiderseitigen Irrtum geschaffene Verfahrenssituation auf ihre Rechtmässigkeit zu prüfen. Es kann also nicht auf jene hypothetische Situation abgestellt werden, die vorläge, wenn die Beschwerdegegnerin die "IV-Anmeldung" korrekt als reines Verwaltungshilfeersuchen interpretiert hätte. Anhand der massgebenden koordinationsrechtlichen Bestimmungen ist zu prüfen, ob der Beschwerdeführer einen Anspruch auf berufliche Eingliederungsmassnahmen der IV hat bzw. ob die Beschwerdegegnerin zu Recht einen Anspruch des Beschwerdeführers auf berufliche Eingliederungsmassnahmen der IV mittels einer Verfügung verneint hat. Gemäss Art. 65 ATSG (und Art. 71 Abs. 2 MVG) hat in Fällen wie dem vorliegenden ausschliesslich die MV berufliche Eingliederungsmassnahmen zu erbringen. Gegenüber der IV besteht also zum vornherein kein Leistungsanspruch. Die Beschwerdegegnerin hätte demnach - obwohl in einem Irrtum über das Wesen der "IV- Anmeldung" befangen - kein Verwaltungsverfahren zur Prüfung eines Anspruchs des Beschwerdeführers auf IV-rechtliche berufliche Eingliederungsmassnahmen eröffnen dürfen, da sie aufgrund der koordinationsrechtlich angeordneten ausschliesslichen Leistungspflicht der MV nicht zuständig war für die berufliche Wiedereingliederung des Beschwerdeführers. Sie hätte also gar nicht auf die "IV-Anmeldung", die sie irrtümlicherweise als IV-Leistungsgesuch interpretierte, eintreten dürfen. Wäre die "IV- Anmeldung" tatsächlich als Leistungsgesuch zu interpretieren, müsste die Beschwerde also teilweise gutgeheissen und die verfügte Abweisung des Leistungsgesuches durch einen gerichtlichen Entscheid, nicht auf dieses Leistungsgesuch einzutreten, ersetzt werden. Nun ist der Beschwerdeführer zwar nach der Zustellung der Abweisungsverfügung ebenfalls dem Irrtum erlegen, es stehe ein materieller Leistungsanspruch gegenüber der Beschwerdegegnerin zur Diskussion. Das bedeutet aber nicht, dass die "IV-Anmeldung" als Verwaltungshilfeersuchen der MV sich nachträglich in eine veritable IV-Anmeldung verwandelt hätte, weil der Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde doch noch um eine berufliche Eingliederung durch die Beschwerdegegnerin ersucht hätte. Bei dem mit der angefochtenen Abweisungsverfügung abgeschlossenen Verwaltungsverfahren handelt es sich deshalb um ein Verfahren, das in vollem Umfang rechtswidrig ist, weil gar nie
ein IV-Leistungsgesuch gestellt worden ist. Mit der "IV-Anmeldung" ist ausschliesslich um Verwaltungshilfe zugunsten der MV ersucht worden. Die angefochtene Abweisungsverfügung ist deshalb in teilweiser Gutheissung der Beschwerde ersatzlos aufzuheben. Das an die Beschwerdegegnerin gerichtete Ersuchen der MV, bei der beruflichen Eingliederung Verwaltungshilfe zu leisten, ist bisher noch gar nicht behandelt worden. Dementsprechend ist es nicht Gegenstand der angefochtenen Verfügung gewesen, weshalb es auch nicht zum Streitgegenstand gehört. Die Beschwerdegegnerin wird dieses Ersuchen noch zu behandeln haben.
4.
Im Sinne der vorstehenden Ausführungen ist die Beschwerde teilweise gutzuheissen und die angefochtene Verfügung vom 14. November 2006 ist ersatzlos aufzuheben. Da der Beschwerdeführer nur in formaler Hinsicht mit seiner Beschwerde durchdringt, indem die angefochtene Verfügung ersatzlos aufgehoben wird, er also mit seinem materiellen Beschwerdebegehren vollumfänglich unterliegt, rechtfertigt es sich unter Berücksichtigung der in Art. 61 lit. g ATSG geregelten Bemessungskriterien, ihm eine Parteientschädigung von lediglich Fr. 500.- (inklusive Barauslagen und Mehrwertsteuer) zuzusprechen. Bei diesem Verfahrensausgang hat er zudem drei Viertel der Verfahrenskosten zu bezahlen. Diese betragen grundsätzlich zwischen Fr. 200.- und Fr. 1000.-. Sie werden nach dem Verfahrensaufwand bemessen (Art. 69 Abs. 1bis IVG). Der unterdurchschnittliche Aufwand rechtfertigt eine Gerichtsgebühr von Fr. 400.-. Der Beschwerdeführer hat also Fr. 300.- zu bezahlen. Dieser Betrag ist durch den vom Beschwerdeführer geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 600.- gedeckt. Die Differenz von Fr. 300.- ist dem Beschwerdeführer zurückzuerstatten. Die restliche Gerichtsgebühr von Fr. 100.- ist von der Beschwerdegegnerin zu bezahlen.
Demgemäss hat der Präsident
als Einzelrichter im Verfahren gemäss Art. 9 VVsG
entschieden:
In teilweiser Gutheissung der Beschwerde wird die Verfügung vom 14. November
2006 ersatzlos aufgehoben.
Die Beschwerdegegnerin hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von
Fr. 500.- zu bezahlen.
Der Beschwerdeführer bezahlt eine Gerichtsgebühr von Fr. 300.-, die durch den geleisteten Kostenvorschuss von Fr. 600.- gedeckt ist; der Restbetrag von Fr. 300.- wird dem Beschwerdeführer zurückerstattet.
Die Beschwerdegegnerin bezahlt eine Gerichtsgebühr von Fr. 100.-.
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